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Ein Pferd, das Menschen gegenüber aggressiv reagiert, ist gefährlich. Es gibt für mich zwei verschiedene Versionen von Aggressivität. Aber alle sind menschengemacht.
Bei der einen versucht das Pferd im Vorfeld, sich auf unterschiedliche Art und Weise mitzuteilen und wird ganz offensichtlich nicht richtig verstanden. Oder seine Versuche der Kommunikation werden schlicht ignoriert, weil andere Dinge (Profit, schnelle Ausbildungserfolge, ein Schleifchen etc.) wichtiger waren. Als letzten Ausweg (nach Flucht und Abstumpfung) wählt dieses Pferd dann den Kampf, greift Menschen an und wehrt sich.
Bei der anderen Form von Aggressivität hat ein Pferd durch falsches Verhalten vom Menschen gelernt, dass es durch Drohen, Bedrängen, Beissen oder Treten etwas bekommt, was ihm gut tut. Das kann Futter sein, Freiheit oder einfach seine Ruhe.
Beide Formen sind traurig, denn bei beiden werden Pferde falsch verstanden, sie erhalten falsche Bestätigung und im Endeffekt leiden sie, denn wenn sie erst einmal aggressiv agieren, bleibt den Menschen in ihrer Hilflosigkeit oft nur noch Gewalt als Antwort.

Die Geschichte von Chance

Chance, so heißt die Stute einer Schülerin, die in dieses Karussell der Emotionen hineingeraten ist und aggressiv wurde.
Ihre Besitzerin hatte sie gerade mal 4 Monate, als sie mich um Hilfe bat.
Chance war immer nur solange "nett", wie sie es für richtig hielt. Bei den vorherigen Besitzern hatte die 5jährige Stute wohl wenig Erziehung genossen. Konnte man sie auf der Koppel nicht fangen, blieb sie eben draussen. Bedrängte sie den Menschen beim Füttern, kippte man eben schnell das Futter in den Trog und verzog sich. Wollte die Stute woanders hin, als der Mensch, ließ man eben den Strick los und machte, dass man aus der Reichweit der Hufe kam.

versuchs doch mal mit GemütlichkeitBei ihrer neuen Besitzerin hatte die hübsche Stute ihre Fähigkeiten, Menschen zu kontrollieren, bereits perfekt verfeinert.
Kam der Stallpfleger in ihren Paddock, um zu misten, wurde er schon mal gezwickt oder mit angelegten Ohren wieder vertrieben.
Der Partner der Besitzerin hatte sich angewöhnt, der Stute Leckerli zu geben, wenn er mit im Stall war. Schnell merkte Chance, dass sie durch Drohen und Bedrängen schneller zu den Köstlichkeiten kam und setzte diese Mittel konsequent immer ein, wenn ein Mensch ihr zu nahe kam. Der Griff zur Hosen- oder Jackentasche war für dieStute wie ein Trigger - Ohren anlegen und rauf auf den Futterspender.
Sollte sie einmal Platz machen, drehte sie blitzschnell den Hintern in die Richtung dessen, der so etwas von ihr verlangte und gab dieser Mensch nicht nach, kickte sie gezielt nach ihm.
Da sie die Fähigkeit, mit den Hinterbeinen nach vorne zu kicken äußerst ausgefeilt einzusetzen wusste, fiel ihr ein Hufschmied zum Opfer. Der zweite rettete sich mit einem Sprung und schlug zu. Ein Verhalten, das verständlich ist, aber die Situation natürlich nicht besser macht.

Ihre Besitzerin versuchte trotz ihrer Angst, die sie nach und nach vor ihrem eigenen Pferd entwickelte, manche Dinge durchzusetzen. Sie ging mit Chance spazieren, auch wenn das manchmal damit endete, dass die Stute auf dem Absatz kehrt machte und zum Stall zurückrannte, nur weil ein Auto vorbei kam. Als Spazieren gehen somit keine Option mehr war, holte sich die Besitzerin das erste Mal Hilfe von einer Trainerin, die ebenfalls Horsemanship anbot.
Diese schickte sie mit der Stute in den Roundpen, wo sie Chance laufen lassen sollte. Ohne weitere Anweisung "die muss rennen, damit sie weiß, dass Du das sagen hast".
Und Chance rannte - und hörte dann auf, wenn sie es für richtig hielt, nur um dann den Menschen wieder zu bedrängen, zu drohen oder weiter zu laufen.
Leider hatte die Trainerin hierauf keine Antworten und ward nicht mehr gesehen.

Als ich Chance kennenlernte war die Situation also bereits sehr festgefahren.Pferd kickt aus

Bereits beim ersten Kennenlernen an der Paddocktür, sah ich kaum die Ohren der Stute.
Als ich sie von der Tür wegschickte, um einzutreten, erhielt ich als Antwort zwei Hinterhufe in meine Richtung.
Nur, dass diese Taktik diesmal nicht fruchtete.
Ich schickte Chance mit dem Führseil sehr deutlich von mir weg und im Paddock um mich rum.
Völlig entrüstet, feuerte sie weitere Male in meine Richtung und musste sich dafür weiter schnell bewegen.
Bereits nach 2 Runden lud ich sie zu mir ein, was sie erst einmal völlig ignorierte.
Ich blieb dran und erhielt ihre Aufmerksamkeit. Sie kam, bedrängte mich sofort und wurde wieder geschickt.
Das passierte noch einmal und dann hatte die Stute kapiert, dass Bedrängen Arbeit in Form von Bewegung als Folge hatte und blieb brav in der gewünschten Entfernung stehen und wartete ab, was weiter passierte.
Diese Konsequenz setzte ich beim Halftern weiter um (nein, der Kopf wird nicht hochgerissen, nein, ich werde nicht gebissen, nein, ich werde nicht weggeschoben, nein, nach mir wird nicht getreten).

Auf dem Weg zum Roundpen machte ich schon deutlich, dass ich nicht überholt werde (ansonsten muss sie weiter gehen und ich behalte meinen Weg bei) und sie nicht auf meinen Schoß darf (was bei vielen Menschen als Unsicherheit gilt, aber eigentlich nur ein Zeichen von Respektlosigkeit ist, weil sie in meinen Raum eindringt).

Im Roundpen behielt ich sie erst einmal bei mir, denn wegzudenken hatte die Stute mehr als genug gelernt.
Ich wollte, dass sie zu mir denkt, sich mit mir auseinandersetzt, die Umwelt nicht als wichtiger erachtet.

Nach einigen Minuten des Folgens am Seil, dem ruhigen, aber konsequentem Verschieben der Hinterhand (flinke Füße) und der Vorhand (flinke Zähne), ließ ich sie frei und weg war sie. Das Gehirn ausgeschaltet, spurtete sie um mich herum, am äußeren Rand des Roundpens, als gelte es, ihr Leben zu retten.
Statt sie planlos zu treiben, folgte ich ihr, setzte nu mehr Energie ein, wenn sie gezielt in meine Richtung kickte und nahm dann den Druck weg und lud sie ein zu folgen. Und siehe da, beim dritten Mal war das Pferd hinter mir.
Noch unsicher und misstrauisch, aber aus eigenem Willen.
Loben, bestätigen, weggehen (Druck wegnehmen), damit verbrachten wir die nächste Zeit. Dann schickte ich sie auch mal weg und lud sie gleich wieder ein und auch das funktionierte schnell.
Das Pferd, das von anderen im Stall als gefährlich, nicht handelbar, nicht lernfähig und sogar als geistig behindert bezeichnet worden war, kapiert sehr schnell, was ich ihm vermitteln wollte und war sehr zufrieden, die richten Antworten zu bieten.
Binnen kürzester Zeit konnte ich sie frei folgen lassen, frei Hinterhand und Vorhand verschieben, sie rückwärts richten und wieder einladen.
Die Besitzerin war den Tränen nahe, dass sich der Name nun endlich als richtig erwies und ihr Pferd eine Chance bekam.

Fonu ich PortraitJetzt gilt es, dem Pferd mit Ruhe alles beizubringen, was sie in unserer Menschenwelt kennen muss. Ihr mt deutlicher Körpersprache und korrektem Timing zu vermitteln, was richtig und falsch ist und dann vor allem ihrer Besitzerin dieses Vokabular an die Hand zu geben, damit Chance sie zukünftig versteht.
Die ersten Ansätze der beiden sind super und die Freude über die deutlichen Veränderungen bei ihrer Stute haben der Besitzerin einen absoluten Motivationsschub gegeben.
Ich werde hier weiter über die Fortschritte berichten.
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Heike Palmer   |   Grundhof 3   |   56288 Laubach
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